Niki de Saint Phalle - Nanas und Papas

Comic-Biografie Film + Interview mit Autor/Zeichner Willi Blöss

 

Jeder kennt Gemälde/Reproduktionen/Installationen von Pablo Picasso, Andy Warhol, Joseph Beuys, Vincent van Gogh oder Salvador Dali.
Aber wie haben diese Künstler gelebt, wie war der Weg zur Schaffung ihrer bahnbrechenden Werke?

Der Aachener Autor und Zeichner Willi Blöss beantwortet diese Frage immer wieder auf eine sehr originelle Weise: mit Comic-Books im DIN A6 Pocket Format.

Seine Reihe, für die er mit dem deutschen Biografiepreis ausgezeichnet wurde, umfasst mittlerweile 36 Titel die man auf der Website seines Verlags und in ausgewählten Museums-Shops erwerben kann.
Blöss schafft es die spannenden und dramatischen Lebensläufe der Künstler:innen aus 6 Jahrhunderten in dem von ihm gewählten Format zu verdichten und in einer Art zu visualisieren, die reich an historischen Details ist und dennoch Spielraum für Fantasie lässt.

Funky Frame Films hat aktuell eine von Blöss´ Künstler-Biografien audiovisuell aufbereitet – die Geschichte von Niki de Saint Phalle...

 

NANAS UND PAPAS: die Biografie der französischen Künstlerin Niki de Saint Phalle als animierter Comic.

„Sehr jung erhielt ich die Botschaft, dass Männer Macht hatten. Und die wollte ich.

Ich würde ihre Welt unbefugt betreten!“

 

 

 

Interview mit Autor/Zeichner/Herausgeber Willi Blöss


Aus gegebenem Anlass haben wir ein Gespräch mit Willi geführt und nachgehorcht, wie denn die Biografie eines Künstlers aussieht, der Biografien von Künstlern erstellt.

 

 

willi_bloess_comic-biografien_01

 

 

 

FFF/Rainer: Die erste, unvermeidbare Frage – wie bist Du zum Zeichnen gekommen?

 

Willi: Ich habe immer schon Comics gelesen und auch gezeichnet, aber der Gedanke, dass auch beruflich zu machen kam mir erst nach meinem Architekturstudium in den 80ern.
Da fiel mir auf, dass die Kunden mehr auf die kleinen, lustigen Nebenfiguren und andere ausschmückende Details abfuhren als auf die Gebäude, die ich entworfen hatte.
Als sich dann erste Angebote für Cartoon-Zeichnungen ergaben hab´ ich den Absprung gewagt.

 

FFF/Rainer: Wir haben uns ja über der C.I.A. (Comic Initiative Aachen) kennengelernt, und deren Fanzine „Outside“, das Du damals herausgegeben hast.

 

Willi: Ich hab´ zwar Mitstreiter gesucht und gefunden, aber wir stellten dann fest, dass wir eine Außenseitertruppe sind, ergo „Outside“.
In Deutschland ist es eigentlich nicht möglich mit Comics seinen Lebensunterhalt zu verdienen.

 

FFF/Rainer (denkt): Puh, wem sagst Du das!

 

Willi: Also haben wir das notgedrungen als Hobby aufgezogen. Ich habe sehr viel Energie in „Outside“ gesteckt, aber es war in jedem Fall eine gute Lehrzeit. Weil man eben regelmäßig arbeiten und Termine einhalten musste, und nicht mehr einfach vor sich hingezeichnet hat.
Deshalb waren die 21 Ausgaben, unabhängig vom Geschäftsgedanken, ein Riesenerfolg, weil ich gemerkt habe: Du kannst das!

 

willi_bloess_comic-biografien_03

 

FFF/Rainer: Erzähl mal was über Deine Serie „Pastor Zipfel“ (Anmerkung: eine knollennasige, unrasierte Mischung aus Don Camillo und Peppone).
Kann man da irgendwann mal einen Sammelband erwarten?

 

Willi: Du hast halt im „Outside“ diese realistische Action/Science Fiction Ecke beackert - da konnte wirklich keiner mithalten – und ich hab´ dann meinen eigenen Stil gefunden, in Richtung Cartoon, eben lustig/ironisch, schnell, locker und unverkrampft.
Einen Reprint in Form eines Albums wird´s aber nicht geben, diese frühen Sünden bleiben in der Schublade (lacht).

 

FFF/Rainer: Wie kamst Du denn schließlich dazu Comic-Biografien von Künstlern zu kreieren?

 

Willi: Ich hatte einen Lehrauftrag bei der FH Aachen und im Rahmen dieser Tätigkeit diverse Projekte publiziert.
Eines dieser Projekte war eine visualisierte Aachener Stadtchronik und ich hab´ gemerkt, dass es mir Spaß gemacht hat, mich mit vermeintlich trockenen, historischen Themen zu beschäftigen.
Die Kostüme, die Architektur, jedes Detail eine riesige, gedankliche und zeichnerische Herausforderung.


Mir wurde aber auch klar, dass es Abnehmer gibt, ich damit im Prinzip sofort auf den Markt gehen kann.

 

FFF/Rainer: Die erste Biografie hast Du also auf eigenes Risiko vorproduziert?

 

Willi: Nee, die Joseph Beuys Sache war tatsächlich ein Auftrag, allerdings an einen Kollegen, Bernd Jünger.
Der kam aber nach Monaten nicht weiter, wollte schon aufgeben und dann hab ich das übernommen.
Die Herausforderung war, ein Künstlerleben, von dem ein Beuys Biograf behauptete, dass man es nicht mal auf 600 Seiten gründlich erfassen könne, auf 24 Seiten im Pocketformat wiederzugeben.

 

willi_bloess_comic-biografien_10

FFF/Rainer: Du bist ohne Zweifel selbst ein Künstler.
Ich erinnere mich an ein Buch meiner Mutter aus dem Pädagogik-Studium, in dem Comics generell als schädlicher Schund dargestellt wurden. Ähnlich wie heutzutage Computerspiele.
Werden Comics in Deutschland denn mittlerweile als Kunst akzeptiert?

 

Willi: Boah, schwierige Frage. Im Verständnis der Leute kann etwas eigentlich nur Kunst sein, wenn man ein Original in ein Museum stellen oder hängen kann. Textur und Material sind wichtig.
Da wird es mit meinen Comics schon schwierig, denn nach dem Scannen (Anmerkung: der Line-Art auf Papier) und dem (digitalen) Colorieren hört das mit dem Original ja schon auf.

 

FFF/Rainer: Die Franzosen sehen das anders.

 

Willi: Ja, die sprechen von der „Neunten Kunst“.
Davon sind wir in Deutschland immer noch weit entfernt (lacht leicht sarkastisch).

 

willi_bloess_comic-biografien_07

 

FFF/Rainer: Wie ging es denn weiter nach dem Beuys-Comic?

 

Willi: Die positive Resonanz hat mich zunächst mal total überwältigt.
Da kam halt auch Lob und Zuspruch von Leuten, die noch nie in ihrem Leben einen Comic angefasst, geschweige denn reingeschaut hatten.
Es gab jede Menge Feedback, Briefe, Anrufe. Lehrer meldeten sich mit Vorschlägen welche Künstler ich als nächstes umsetzen solle, denn ein Comic wäre ja eine zeitgemäße Methode deren Kunst einem jüngeren Publikum näherzubringen.
Hab mir etwas Zeit gelassen, aber dann Picasso, Van Gogh, Warhol und Hieronymus Bosch als meine nächsten Biografie-Projekte gewählt. Ohne Auftrag, teilweise mit befreundeten Zeichnern, denn mir war klar, dass ich, um etwas aufzubauen mehr Referenzen brauche als ein einzelnes Booklet.

 

FFF/Rainer: Und dann irgendwann den eigenen Verlag gegründet.

 

Willi: Ja klar. Denn es war nicht immer einfach Leute davon zu überzeugen, dass man als Quereinsteiger und Autodidakt, bzw. ohne Studium der Kunsthistorik in diese heiligen Hallen eindringen und eine stimmige und überzeugende Arbeit abliefern kann.

 

willi_bloess_comic-biografien_08

 

FFF/Rainer: Die Recherche nimmt bestimmt einen großen Raum bei einem solchen Projekt ein.
Beim Arbeiten an dem Nikki de Saint Phalle Film fiel mir dazu auf, dass es überraschend wenig Bildreferenz-Material aus ihrem Leben im Internet zu finden gab.

 

Willi: Es ist in der Tat erstaunlich wie übersichtlich das persönliche Bildmaterial ist, selbst bei den ganz Großen.
Bei Hieronymus Bosch gab es z.B. nur eine kleine Skizze, die sein Kollege Bruegel angeblich gemacht haben soll.
Recherche ist bestimmt so 90% der Arbeit. Quellenstudium ist ein Muss und sehr mühselig. Was man so findet ist erstmal mit Vorsicht zu genießen. Teilweise sind die Texte 100 Jahre nach dem Ableben der Künstler entstanden, und die Biografen haben voneinander abgeschrieben.

 

FFF/Rainer: Hab mal gelesen, dass van Gogh sich gar nicht das ganze Ohr abgeschnitten hat.

 

Willi: Ja, genau, das war wohl nur ein Teil des Ohrläppchens. Diese Episode wird aber immer wieder neu aufgerollt, und teilweise maßlos aufgebauscht.
Und auch die Künstler selbst haben da übrigens oft kräftig mitgemischt. Beispiel Beuys - das Märchen, er wäre von Tartaren in Fett eingewickelt worden.
Ich versuche solche Verzerrungen ins Spektakuläre zu vermeiden.

 

FFF/Rainer: Zumal die Lebensläufe der meisten Künstler ja schon ohne Übertreibung voll unglaublicher Spannung und Dramatik sind (denkt an Camille Claudel).

 

Willi: Ja, erstaunlich, oder?
Die haben es doch gar nicht nötig so viel an den Haaren herbei zu ziehen.

 

willi_bloess_comic-biografien_09

 

FFF/Rainer: Den Kampf um Aufmerksamkeit gab es wohl schon in Pre Social Media Zeiten.
Konntest Du denn aus den ganzen Lebensläufen Lehren für Deine eigene Künstlerexistenz ziehen?

 

Willi: Na ja, ich gehör nicht auf diese Stufe. Ich finde es aber spannend zu sehen, dass dieses Heldentum eigentlich erst nach dem Tod einsetzt.
Viele haben ja nicht mehr als eine überschaubare Zeitspanne von 15 kreativen Jahren gehabt, in denen sie sich austoben konnten.
Schiele ist mit 28 gestorben, van Gogh hat grade mal 10 Jahre gemalt.
Man wird bescheidener wenn man sieht was diesen Helden der Kulturgeschichte passiert ist.

 

Und wenn ich bei Kollegen sehe, wie schwierig es ist eine regelmäßig erscheinende Reihe herauszubringen, bin ich einfach nur glücklich ein Thema gefunden zu haben, das im Prinzip unerschöpflich ist.

 

FFF/Rainer: Willi, ich danke Dir für das Gespräch.

 

 

 

willi_bloess_comic-biografien_02

 

 

 

 

Topics: Featured Artist, Comic, Erklärfilm, Willi Blöss